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Wie kommen eigentlich Influencer durch die Corona-Krise?

Christoph Kamps • 15. April 2020

Auf diese Frage gibt es keine Antwort, die sich in einem Satz zusammenfassen ließe. Denn einerseits sollten es goldene Zeiten sein, wo Social Media für viele Menschen ein existentieller Kanal ihrer Sozialbeziehungen geworden ist. Andererseits ist die Influencer-Wirtschaft von Home-Office und der wirtschaftlichen Unsicherheit jedes Solo-Selbständigen betroffen. Für uns als eine der führenden Influencer Relations-Agenturen in Deutschland, die von der partnerschaftlichen Zusammenarbeit lebt, bildet dieser Zwiespalt den Anlass, einmal genauer nachzufragen. Und so entstand die vorliegende Studie als Stimmungsbild über Gegenwart, Gefühlslage, Arbeitsbedingungen und Zukunft mit, unter und nach Covid-19 bei Influencern und Content Creator in Deutschland.

84% fühlen sich existentiell bedroht

Einige Antworten hatten wir erwartet. Warum sollte es Influencer anders gehen als uns als Agentur. Mit der statistischen Prozentzahl sehen wir unser Bauchgefühl nun objektiv bestätigt. Seit zwei Wochen treffen uns immer neue Budgetfreezes, Projektabsagen oder Verschiebungen. Ähnlich ergeht es einer Vielzahl an Influencern. Insgesamt 68 % sagten, dass ihnen in den letzten zwei Wochen aufgrund der Corona-Krise Aufträge gekündigt worden seien. Es ist also keineswegs so, dass alle Marketingbudgets in der Krise auf Social Media und Influencer Relations umgeleitet würden. Bei der Sicherung ihrer Liquidität halten viele Unternehmen ihre Marketingbudgets einfach zurück. Gelder werden lieber gar nicht ausgegeben. Das ahnen auch die Influencer in Deutschland. Denn alle Befragten gehen davon aus, dass die aktuelle Krise einen negativen finanziellen Einfluss auf sie haben wird. Bei keiner anderen Frage gab es so viel Einigkeit. Schlimmer noch, insgesamt 84 % fühlen sich durch die aktuelle Situation existentiell bedroht.

,, 95% ändern ihre Arbeitsweise in der Krise

Auch Influencer folgen während des Lockdowns dem Trend zum Homeoffice. Nur 5 % der Befragten gaben an, dass Corona keinen Einfluss auf ihre Arbeitsweise haben würde. Nicht nur der Arbeitsort, sondern auch der Content wird durch die Arbeitssituation bestimmt. 91 % sehen einen direkten Einfluss der Krise auf ihren Content. Dabei geht es um die Produktionsmöglichkeiten, aber nicht nur. Auf die offene Frage, wie sich die Veränderung bemerkbar machen würde, gab es einige Tendenzen in den Antworten, die sich häuften. Für einen überwiegenden Teil ändert sich natürlich die Art und Weise der Content-Produktion. Home Content verändert den Feed vieler Content Creator. Die Zeit für mehr Kreativität überschattet die eingeschränkte Auswahl an Möglichkeiten zuhause. Aufgrund der begrenzten Zahl an Settings produzieren viele im wachsenden Maße Bewegtbild, Video und Live Content. Insbesondere IGTV ist Profiteur dieses Trends.

„Warum sollten Influencer auch Handtaschen inszenieren, wenn sie nicht vor die Tür gehen?“ – Kommentar eines Influencers.

Ferner wirkt sich die fehlende Möglichkeit von Outdoor-Produktionen, der Wegfall von Events, zum Teil von Team-Mitgliedern und das eingeschränkte Treffen von Freunden auch stark inhaltlich auf die Contents aus. Hier haben uns die Antworten am meisten überrascht. Insgesamt rücken Product-Shots in den Hintergrund. Warum sollten Influencer auch Handtaschen inszenieren, wenn sie nicht vor die Tür gehen? Allgemein gaben die Befragten an, dass Sponsored-Posts sich in der aktuellen Situation falsch anfühlen. Viele haben das Bedürfnis, verstärkt über persönliche Erlebnisse zu posten. Dabei bestimmt natürlich zuallererst die Krise die Themensuche. Quarantäne-Tagebücher und Selbstversuche zuhause sind absolut en vogue.

82% sehen ein höheres Engagement mit ihren Followern

Ebenfalls nicht wirklich überrascht hat uns eine wachsende Engagement-Rate. Jeder von uns verbringt vermutlich gerade mehr Zeit in den sozialen Medien. Das bedeutet auch mehr Zeit für die Interaktion mit den Posts unserer Idole, Role-Models oder virtuellen Freunde. Insgesamt 82 % aller befragten Influencer berichteten von einem höheren Engagement mit ihren Followern. Und dass, obwohl sich auch die Zahl der Posts bei den Influencern signifikant erhöht hat. Insgesamt 68 % gaben an, dass sie in der Krise mehr Content auf ihren Kanälen in einer höheren Frequenz ausspielen würden. Und fast durchgängig berichteten die Influencer von einer Zunahme positiver Sentiments. Follower sind scheinbar noch weit entfernt vom Teilen negativer Gefühle durch die Krise. Die meisten sprechen von viel positivem Feedback zu ihrem Content in der Corona-Krise. Und in dieser Entwicklung, die von der Interaktion mit den Followern unterstützt wird, liegt für uns als Agentur für Konsumkultur die überraschendste Erkenntnis aus unserer Umfrage.

Influencer Feeds werden in Zukunft von nachhaltigeren Themen bestimmt

In unseren offenen Fragen über die Art und Weise der Veränderung für die Influencer in und nach der Krise konnten wir folgende Trends beobachten.

Bei einigen häuften sich ethische Zweifel an reinen Konsumthemen. Das passt zu der Erkenntnis, dass Achtsamkeit und Nachhaltigkeit für viele einen wachsenden Wert in ihrer Arbeit darstellen. Das reicht vom Wertschätzen kleiner Dinge, über das Entwickeln neuer Routinen zuhause, bis hin zu einer ethischeren und intensiveren Planung des Contents. Manche Influencer sehen sich schon heute gestärkt aus der Krisensituation kommen. Der Trend zur Self-Awareness wird hier von mehr Mitgefühl begleitet. Viele Influencer sind sich in der aktuellen Situation ihrem Einfluss und ihrer Verantwortung bewusst. Follower positiv zu stimmen, keine negativen Gefühle durch aktuell unerreichbare Locations oder unangemessene Bildauswahl zu wecken und den Eskapismus zu fördern, bildet den größten Content-Trend in unserer Umfrage zur Corona-Krise. Und auch da waren sich viele Befragte einig: Dieser Trend wird auch nach der Krise halten. Der Wunsch nach mehr Achtsamkeit im Umgang mit den Followern gehört für die Mehrzahl genauso dazu, wie ein bewussterer Umgang mit dem direkten Umfeld und der Umwelt. Während der reine Kommerz ein Stück zurücktritt. Eine Antwort, die vor allem von Fashion-Influencern kam. Es gibt also sehr viel Grund zu der Annahme, dass nach der Krise die Influencer-Kommunikation wesentlich stärker auf Nachhaltigkeits-Themen ausgerichtet sein wird als jemals zuvor.

Influencer wollen zukünftig mehr Purpose und echte Stories

Am Ende unserer Befragung interessierten wir uns noch für das, was sich die Content Creator von uns als Agenturen und ihren Markenpartnern wünschen. Und natürlich gehört, bei der wachsenden existentiellen Sorge in der Krise, das Beibehalten oder Verschieben statt Absagen von Kooperationen oder Kündigen von Verträgen zu den wichtigsten Anliegen. Doch unsere offene Frage brachte am meisten Antworten zu Form und Inhalt von Kooperationen. Influencer wünschen sich keine werblichen Schnellschüsse, sondern zukünftig noch mehr langfristige Kooperationen mit Marken. Dabei sollten wir als Partner wertschätzen, was dem Content-Creator wirklich wichtig ist und was sie am meisten an ihrer Arbeit lieben: Das Erzählen von Geschichten. Wenn also Langfristigkeit, Achtsamkeit und Nachhaltigkeit nach der Krise wesentliche Faktoren für Content und Zusammenarbeit sind, sollten wir uns als Partner dieser Herausforderung in der Zusammenarbeit bewusst sein. Viele Influencer artikulierten sehr konkret und offen den Wunsch, dass wir den Purpose der Marke deutlich formulieren können und uns darauf einlassen, mit ihnen gemeinsam echte Storys zu entwickeln. Eigentlich eine Verpflichtung, die uns in Agenturen, Marketing- und Kommunikationsabteilungen immer schon antreiben sollte. Doch oft fördert eine Krise, in der wir uns zweifelsohne befinden, das wirklich Wesentliche wieder an die Oberfläche.

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